Gusen

Audioweg Gusen

Das unsichtbare Lager

Am 5. Mai 2007 eröffnete die Präsidentin des Österreichischen Nationalrates Mag. Barbara Prammer im Beisein von KZ-Überlebenden, Zeitzeug*innen und Gästen aus dem In- und Ausland den AUDIOWEG GUSEN, ein Kunstprojekt über den Umgang mit Erinnerung und das Leben auf dem Areal der ehemaligen Konzentrationslager Gusen I und II (Oberösterreich).

Der AUDIOWEG GUSEN ist kein historisch-wissenschaftliches Unterfangen und auch kein „Mahnmal“ im herkömmlichen Sinne. Er thematisiert als begehbare „Skulptur“ des Künstlers Christoph Viscorsum (vormals Christoph Mayer chm.) das verschüttete Gedächtnis eines Ortes, auf dem sich während der NS-Diktatur die Konzentrationslager Gusen I und II befanden. Die Besucher*innen des AUDIOWEGs GUSEN rekonstruieren dieses Gedächtnis anhand persönlicher Erinnerungen Überlebender, von Zeitzeugen aus der lokalen Bevölkerung, aber auch von Tätern und ehemaligem Wachpersonal. Sie hören mittels Kopfhörer deren Stimmen und den abstrahierten Klang der Landschaft, während sie durch das Gelände des ehemaligen Lagerkomplexes gehen.

Man hört, was nicht mehr zu sehen ist. Man sieht, was gegenwärtig ist. Menschen erzählen, was sonst unausgesprochen bleibt. Denn bis auf das Memorial in Gusen, errichtet auf Initiative ehemaliger Häftlinge, und einiger nicht näher gekennzeichneter Gebäude präsentiert sich die Landschaft heute als schlichtes Wohngebiet. Auf dem ehemaligen Lagergelände haben Einfamilienhäuser die Baracken ersetzt und Gusen in einen Ort des Nachkriegsösterreichs verwandelt. Wo einst SS-Angehörige und Kapos Tausende Menschen zu Tode quälten, spielen heute Kinder in den Vorgärten.

Als Besucher*in des Projektes wird man sich Kopfhörer und ein Abspielgerät ausleihen und sich auf den auditiv vermittelten AUDIOWEG GUSEN machen. Während der Wanderung durch das heutige Gusen, sind die Stimmen der Zeitzeug*innen, Täter und Opfer zu hören, die unter der Dramaturgie des Ars acoustica Experten und Funkautoren Andreas Hagelüken systematisch mit den Menschen und ihrer Geschichte in der Landschaft von damals wie heute vertraut machen. Der von Kai-Uwe Kohlschmidt komponierte Soundtrack verstärkt den Prozess der umfassenden Erfahrung des Ortes und der mit ihm verbundenen, menschlichen Schicksale. Komposition, Berichte und Erzählung schaffen zusammen einen Korridor zwischen der heute vorherrschenden „Normalität“ und der historischen Bürde dieser Gegend. Die Erfahrung radikaler „Unstimmigkeit“ des Sichtbaren und der (im Gehörten präsenten) Geschichte macht die Unfassbarkeit – des Grauens wie des Versuchs es zu vergessen – deutlich und initiiert möglicherweise eine nachhaltige Diskussion dazu.
 
Wer den AUDIOWEG GUSEN geht, wird mittels Kopfhörer durch eine beschauliche Wohn- und Erholungslandschaft geführt, die nichts von ihrer furchtbaren Vergangenheit erahnen lässt. Die ca. 90-minütige Audiocollage aus Klängen und Stimmen schafft einen virtuellen Raum im Kopf der Gehenden, in dem die Diskrepanz von Gesehenem und Gehörtem spürbar wird. Sie ruft die Realität der Konzentrationslager, aber auch ihre problematische und bis heute wirksame Nachgeschichte in Erinnerung. Ohne Stationen, Markierungen oder Pläne, nur mit einem iPod ausgerüstet, wird man präzise durch Wohnsiedlungen bis hin zu einem unterirdischen Flugzeugwerk geführt.

 

Informationen für Besucher*innen

Startpunkt und Ausgabe der Audiogeräte (Deutsch, Englisch, Italienisch verfügbar):
Besucher*innenzentrum Gusen
Georgestraße 7, A-4222 Langenstein

Öffnungszeiten siehe hier.
Ausgabe der Audiogeräte: Dienstag – Sonntag gegen telefonische Voranmeldung: +43 7238 2269-0

Dauer des AUDIOWEGS: 99 min
Bitte ca. 25 Minuten für den Rückweg einplanen.